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Die Kunst des Positiven

positiv

Die Welt ist noch zu retten!

Die Kunst, nicht immer nur das Negative zu sehen

Ein Interview mit Fabienne Schovenberg

Teil 2

Perspektiven bestimmen, wie wir die Welt sehen, was wir zu ihr zählen, aber auch, welche Geschehnisse in ihr wir wie interpretieren. Beim täglichen Konsumieren von Nachrichten etwa neigen die meisten Menschen dazu, sich stark auf negative Nachrichten zu konzentrieren und positiven Entwicklungen weniger Beachtung zu schenken. Woher kommt dieser Hang zur Negativität?

SCHOVENBERG: Eine Erklärung dafür kann auf unsere Evolution zurückgeführt werden. Für unsere frühesten Vorfahren war es natürlich von großer Wichtigkeit, dass potenzielle Gefahren, sei es der Angriff eines Raubtiers oder aber auch eine Knappheit der Essensbestände, immer schnellstmöglich erkannt wurden, wenn man überleben wollte. Unser Hang zum Negativen war also ursprünglich zu unserem Schutz da. Diesen Instinkt haben wir heute immer noch, auch wenn wir ihn gar nicht mehr so akut bräuchten. Nun ist unsere Welt mittlerweile so gut vernetzt, dass wir Nachrichten von überall her empfangen können, was an sich etwas Wunderbares ist. Allerdings veranlasst unser Hang zum Negativen dann, dass wir aus aller Welt hauptsächlich die negativen Nachrichten beachten, nämlich als potenzielle Gefahren, vor denen wir uns schützen sollten, und so wird schnell ein sehr düsteres Weltbild geschaffen.

Wenn dieser Hang zum Negativen praktisch schon in unsere DNA geschrieben ist, gibt es dann überhaupt die Möglichkeit, die Welt auch von ihren positiven Seiten zu sehen oder sich nach Nachrichten nicht immer komplett überwältigt zu fühlen?

Es ist wirklich schwierig. Natürlich ist die Lösung nicht, einfach aufzuhören Nachrichten zu konsumieren. Stattdessen, denke ich, ist eine Balance sehr wichtig, zwischen der Notwendigkeit, informiert zu bleiben und sich einzubringen, aber auch auf das eigene mentale Wohlergehen zu achten. Mir passiert es selbst, dass ich dann ganz schnell ein schlechtes Gewissen bekomme und mich frage, wie ich so egoistisch sein kann, mich selbst zu priorisieren, wenn es so vielen Menschen da draußen so viel schlechter geht. Aber es ist wichtig sich klarzumachen, dass wir ein Limit an emotionaler und kognitiver Kapazität haben und daher gar nicht über alles und jede Krise auf der Welt tagesaktuell auf dem Laufenden gehalten werden können und sollen. Mein persönlicher Weg, da ein bisschen Balance zu schaffen, ist es z. B., nicht immer nur auf eine Krise fokussiert zu sein und alles andere in der Zwischenzeit auszublenden, sondern überall da, wo ich kann und will, regelmäßig zu spenden und so Organisationen permanent zu unterstützen. Ich möchte gar nicht behaupten, dass das der “richtige” Weg ist, jede Unterstützung ist hilfreich, aber mir persönlich hilft die Idee weg vom akuten Feuerlöschen und hin zu einer langfristigen Hilfe.

Ein Problem dabei, immer nur das Negative zu sehen, ist ja auch, diese subjektive, momentane Perspektive auf die Zukunft zu übertragen und so schnell zu düsteren Prognosen zu kommen. Weshalb sind solche Zukunftsprognosen aber nicht sehr zuverlässig?

SCHOVENBERG: Es fällt uns leicht, wenn etwas Schlechtes passiert, davon auszugehen, dass das auch immer so weitergehen wird. Gerade in Situationen des Krieges, wie jetzt in der Ukraine, wird man schnell dazu verleitet zu glauben, dass das Ganze nur noch weiter ausartet, bis hin zum Dritten Weltkrieg. Mir fällt es selber schwer, mich in solchen Momenten nicht von Apokalypse-Prognosen anstecken zu lassen. Natürlich können sich die Dinge immer zum Schlechteren entwickeln, aber sie können sich eben genauso verbessern. Es ist nie final, es ist alles ständig in der Entwicklung. Dieses Wissen macht den Krieg jetzt nicht weg oder besser, aber vielleicht gibt uns diese Gewissheit, dass das alles eben nur eine Momentaufnahme ist, die Kraft, besser damit umzugehen und wieder etwas Hoffnung zu schöpfen und vor allem nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Denn wenn wir das Gefühl haben, es ist sowieso alles verloren, warum dann noch versuchen, was zu ändern? Dieser Glaube an die Möglichkeit, dass die Dinge sich wieder verbessern, macht die Lage vielleicht nicht besser, aber er hilft uns, sie zu verbessern.

An diesem Punkt fällt mir der Ansatz des faktenbasierten Optimismus aus deinem Buch ein, eine Theorie, die Hans Rosling in seinem Buch “Factfulness” behandelt. Inwiefern unterscheidet sich dieser vom “naiven” Optimismus?

SCHOVENBERG: Das steckt eigentlich schon im Namen drin: Letztendlich geht es dabei darum, dass man auf die Fakten schaut, also “wie ist es tatsächlich um die Welt bestellt”, anstatt seiner Vorstellung darüber zu vertrauen, wie es um die Welt bestellt ist. Rosling hat dazu ganz viele Umfragen in den verschiedensten Ländern und sozialen Schichten durchgeführt und dabei festgestellt, dass unsere Idee über den Zustand der Welt meistens nicht aktuell ist, sondern sich z. B. während unserer Schulzeit entwickelt hat und dann da stehengeblieben ist, obwohl sich ja in der Zwischenzeit alles weiterentwickelt hat. Aus seinen Statistiken hat Rosling dann hergeleitet, dass die Dinge sich alles in allem über Jahre hinweg eben doch tendenziell zum Besseren entwickeln. Wir tendieren häufig dazu, davon auszugehen, dass sich alles linear weiterentwickelt, obwohl es oft gar nicht so ist. Der faktenbasierte Optimismus hilft uns also dabei, die Dinge etwas rationaler zu sehen und so eben auch die positiven, im Hintergrund laufenden Entwicklungen anzuerkennen.

Wo wir nun beim Punkt Optimismus und Hoffnungschöpfen angekommen sind: Was würdest du an engagierte Weltverbesser:innen weitergeben, die vielleicht mit der Sorge zu kämpfen haben, all ihre Bemühungen hätten letztendlich gar keinen Sinn?

SCHOVENBERG: Zum einen möchte ich ihnen ganz viel Bewunderung und Applaus geben. Ich bewundere, mit wie viel Motivation, Energie und Überzeugung ihr euch engagiert. Ich hoffe, dass ihr die Hoffnung niemals aufgebt, denn: “Die Welt ist noch zu retten, solange wir versuchen sie zu retten”. Solange wir daran arbeiten, dass Dinge besser werden, solange besteht auch die Möglichkeit, dass sie besser werden. Aber gleichzeitig will ich euch auch mitgeben, bei all dem auch auf euch selbst zu achten. Denn es kann eben auch kein Engagement für Verbesserung geben, wenn es einem selber nicht gut geht. Deshalb achtet immer auf eine gesunde Balance, seid euch bewusst, dass nicht jeder Mensch gleich viel Energie in eine Sache stecken kann und nicht die gleichen Möglichkeiten hat, und versucht euch nicht fertigzumachen, wenn ihr nicht alles für eine Sache tun könnt, wie ihr das gerne würdet.

Interviewerin: Amira Hajredini

Das Video zum Interview: Teil 2

Musik: https://www.musicfox.com/

Zum ersten Teil des Interviews:

Zum dritten Teil des Interviews:

Ist die Welt
Ist die Welt noch zu retten I Die Welt ist noch zu retten
Fabienne Schovenbergs Buch “Ist die Welt noch zu retten I Die Welt ist noch zu retten – Auf der Suche nach Motivation beim Weltverbessern” über die Hürden beim Weltverbessern, unseren Hang zur Negativität, den Einfluss unseres Mindsets auf den Zustand der Welt und das Motivation- und Hoffnungschöpfen können Sie direkt in unserem Webshop bestellen.
Schovenberg
Fabienne Schovenberg
Fabienne Schovenberg ist selbstständige Kommunikationsdesignerin für Nachhaltigkeit. Sie gestaltet Kommunikation und setzt sich mit ihrer Arbeit für Mitmenschen, Umwelt und Zukunftsfähigkeit ein. Sie denkt und schreibt gerne, um die Welt besser zu verstehen, und teilt ihre Erkenntnisse mit anderen.

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