Krise als Chance

Krise als Chance

Wie wir durch Herausforderungen wachsen können

In einer Welt, die sich in einem scheinbar endlosen Strom von Krisen befindet, fühlen sich viele Menschen orientierungslos. Ob Klimawandel, politische Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheiten oder persönliche Schicksalsschläge – Krisen haben die Kraft, unser Leben auf den Kopf zu stellen. Doch was, wenn wir sie nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance begreifen? Wie die Religionspädagogin Marina Kiroudi in ihrem Beitrag im Handbuch der Religionen darlegt, bietet die orthodoxe Theologie eine tiefgründige Perspektive auf Krisen und zeigt Wege auf, wie wir sie nicht nur bewältigen, sondern daraus auch gestärkt hervorgehen können. Besonders spannend ist dabei, wie Kinder und Jugendliche Krisenzeiten erleben und was wir von ihnen lernen können. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die wesentlichen Punkte des Artikels.

Was bedeutet Krise eigentlich?

Das Wort „Krise“ ist allgegenwärtig. Wir sprechen von der Klimakrise, der Wirtschaftskrise, der Identitätskrise oder der Corona-Krise. Doch was steckt wirklich hinter diesem Begriff?

Etymologisch stammt das Wort „Krise“ aus dem Griechischen: „κρίσις“ (krisis) bedeutet so viel wie „Entscheidung“ oder „Urteil“. In der ursprünglichen Bedeutung geht es also nicht nur um eine schwierige Situation, sondern auch um eine Phase, in der eine Weichenstellung notwendig ist. Eine Krise zwingt uns, Entscheidungen zu treffen – und genau darin liegt eine große Chance.

Die orthodoxe Theologie sieht Krisen nicht nur als negative Einschnitte im Leben, sondern als einen Moment der Prüfung und Reflexion. Sie fordert dazu auf, mit Bedacht zu handeln, sich der eigenen Werte bewusst zu werden und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die Rolle des Glaubens in Krisenzeiten

Besonders in schweren Zeiten suchen viele Menschen Halt – und oft finden sie ihn im Glauben. Die orthodoxe Kirche versteht sich als eine Art „sicherer Hafen“, ein Ort, an dem Menschen Zuflucht und Orientierung finden können.

Kinder und Jugendliche erleben das kirchliche Leben auf eine besondere Weise. Eine Studie zeigt, dass junge Menschen während der Corona-Krise verstärkt spirituelle Fragen gestellt haben: „Warum passiert das?“, „Wo ist Gott in all dem?“ und „Welchen Sinn hat das Leben?“

Viele berichten, dass sie in der Kirche Trost finden. Ein 13-jähriger Junge drückt es so aus:
„Ich gehe in die Kirche, weil ich dort meine Sorgen ablegen kann. Ich fühle mich geborgen und verstanden.“

Diese Aussagen verdeutlichen, dass der Glaube eine entscheidende Rolle in der Krisenbewältigung spielen kann. Er bietet Halt, vermittelt Hoffnung und gibt eine Richtung vor.

Krise als Wendepunkt – Die Chance zur Veränderung

Wenn wir Krisen als Prüfungen begreifen, dann bedeutet das auch, dass wir aus ihnen gestärkt hervorgehen können. Die orthodoxe Theologie spricht in diesem Zusammenhang von „Diakrisis“ – der Gabe der Unterscheidung. Diese hilft uns dabei, in schwierigen Zeiten gute Entscheidungen zu treffen.

Doch wie können wir diese Fähigkeit in unserem Alltag nutzen? Drei wichtige Schritte helfen dabei:

  1. Innere Reflexion: Sich bewusst Zeit nehmen, um über die aktuelle Situation nachzudenken. Was hat diese Krise ausgelöst? Welche Möglichkeiten habe ich, darauf zu reagieren?
  2. Unterstützung suchen: Niemand muss Krisen allein bewältigen. Familie, Freunde oder die Gemeinschaft können Halt geben und helfen, neue Perspektiven zu entwickeln.
  3. Handeln: Krisen sind immer auch ein Wendepunkt. Sobald wir Klarheit haben, ist es wichtig, aktiv Veränderungen in Angriff zu nehmen.

Ein Beispiel aus der orthodoxen Kirche Griechenlands zeigt, wie aus einer Krise Gutes entstehen kann. Während der Flüchtlingskrise auf der Insel Lesbos gründete ein Priester eine Hilfsorganisation, um Geflüchteten eine erste Anlaufstelle zu bieten. Sein Motto: „Der Gekreuzigte umarmt die ganze Welt.“ Diese Tat der Nächstenliebe entstand aus einer Notsituation – und wurde zu einem Zeichen der Hoffnung.

Kinder und Jugendliche als Vorbilder im Umgang mit Krisen

Spannend ist, wie Kinder und Jugendliche mit Krisenzeiten umgehen. Ihre Perspektive zeigt oft eine überraschende Tiefe und Weisheit. In einem Buchprojekt, das orthodoxe Kinder aus Deutschland, Österreich und Luxemburg befragte, äußerten sie sich beeindruckend reflektiert über Glauben, Kirche und Krise:

  • Sofia (4 Jahre): „Die Kirche sind die Menschen.“
  • Aletheia (17 Jahre): „Die Kirche gibt mir Klarheit und Unterstützung. Sie hilft mir, meinen Horizont zu erweitern und wahre Werte zu verstehen.“
  • Nicolae (10 Jahre): „Nach der Kommunion fühle ich mich frei. Mein Herz ist befreit von allem Bösen.“

Diese Aussagen zeigen, dass junge Menschen Krisen nicht nur als Belastung erleben, sondern oft eine tiefere Bedeutung darin erkennen. Sie erfahren, dass der Glaube eine Quelle der Stärke sein kann – etwas, das auch Erwachsenen in schwierigen Zeiten helfen kann.

Fazit: Licht in der Dunkelheit

Krisen sind ein fester Bestandteil des Lebens. Sie können uns erschüttern, herausfordern und manchmal überfordern. Doch sie sind auch eine Chance, uns selbst besser kennenzulernen, unseren Glauben zu vertiefen und unsere Gemeinschaft zu stärken.

Die orthodoxe Theologie bietet eine Perspektive, die nicht nur auf das Leid fokussiert ist, sondern auch auf die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. In einer Krise steckt immer die Gelegenheit zur Veränderung, zum Wachstum und zur Neuausrichtung.

Die Worte eines 8-jährigen Mädchens fassen es vielleicht am besten zusammen:
„Gott gibt mir Sonne, Leben, Luft und Erde!“

Mögen wir in dunklen Zeiten nie vergessen, dass es immer Licht gibt – und dass jede Krise auch eine Tür zu neuen Möglichkeiten öffnen kann.

Dieser Blogbeitrag basiert einem Fachartikel, der im Handbuch der Religionen erschienen ist:

Kiroudi, Marina: Krisis als Chance. (Kinder- und jugend)theologische Zugänge aus orthodoxer Sicht. 83. Ergänzungslieferung 2025. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka & Martin Rötting (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum [Handbook of Religions. Churches and other Religious Communities in Germany and German-speaking Countries]. Westarp Science Fachverlag, Hohenwarsleben 2025.

Schlagwörter:
Krise, Krisis, Safe Space, geistlich, spirituell, orthodox, Kinder- und Jugendtheologie

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