Ergänzungslieferung 85

Ergänzungslieferung 85

Sehr geehrte Leser*innen,

ein großer Teil der vorliegenden Beiträge ist dem Fachgebiet (katholische) Religionspädagogik zuzuordnen.

MMag.a Dr. Sigrid Rettenbacher (Lehrende an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz und Vorsitzende der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen, Österreich) schreibt  in Anspielung auf ein Zitat aus Leonard Cohens „Anthem“ über: „`There is a crack in everything, that’s how the light gets in.` Kirchlichkeit des Religionsunterrichts und post-/dekoloniale Perspektiven – eine Erprobung“. Studien  für den Religionsunterricht zeigen, „dass die Identifizierung mit der Kirche bei Lernenden und Lehrkräften gleichermaßen deutlich im Abnehmen begriffen ist.“ Der Beitrag beschäftigt sich aus post-/dekolonialen Perspektiven mit solchen „Brüche(n) und Wunden“. Er will „eine active ignorance – eine Kultur des Verschweigens, Verdrängens und Vergessens all dessen, was für die Kirche und das kirchliche Selbstverständnis unbequem werden könnte – entlarven und kritisch infrage stellen. Ziel ist „eine positive Identifizierung mit Kirche und […] ein neues Verständnis der Kirchlichkeit des Religionsunterrichts“.

Der Beitrag von Geneva Blackmer, M.A. (Religious Studies from Athens State University, USA, und in Ecumenical Studies, Universität Bonn) und Abdul Basit Zafar (International Center for Comparative Theology and Social Issues, Universität Bonn) verorten ihren Ansatz innerhalb der Komparativen Theologie. Sie thematisieren kulturellen Rassismus in der Religionspädagogik. Ihre Fallstudien aus Deutschland, England und den USA werden von zwei Postulaten geleitet: „erstens von der anhaltenden Dominanz des christlichen Privilegs und der Christonormativität und zweitens von der Prävalenz von Mikroaggressionen, die von Fürsprecherinnen und Fürsprechern ausgehen und denen Schülerinnen und Schüler aus religiösen Minderheiten ausgesetzt sind.“ Der Beitrag kritisiert „die stark vereinfachten rassischen Binaritäten, die in der antirassistischen und multikulturellen Bildung vorherrschen. Diese Binaritäten marginalisieren oft den religiösen und kulturellen Pluralismus und führen zu einer unbeabsichtigten Kulturalisierung, die Stereotype und Mikroaggressionen aufrechterhält.“ Die Verfasser plädieren dafür, dass sich die Religionspädagogik „ihrer Mitschuld an der Aufrechterhaltung systemischer Ungleichheiten“ stellt. Der Beitrag möchte dazu beitragen, den „kulturellen Rassismus“ in der Religionspädagogik zu beseitigen.

Marcin Morawski (von 2014 bis 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Ruhr-Universität Bochum) thematisiert „Von der Krise zur Transformation? Der Ansatz der transformatorischen Bildung in der allgemeinen Erziehungswissenschaft und der Religionspädagogik“. Auf der erziehungswissenschaftlichen Grundlage der transformativen Bildung (Marotzki, Koller) und der Religionspädagogik geht er „der Bedeutung von Krisenerfahrungen für Bildungsprozesse nach, bei denen die Transformation des Selbst-, Welt-, Fremd- und Gottesverhältnisses im Mittelpunkt steht.“ Mit Hilfe „einer bildungstheoretisch orientierten Biografieforschung „soll „die Kluft zwischen Bildungstheorie und Empirie“ überwunden werden.

Der Aufsatz der HdR-Facheditorin Maike Maria Domsel „Vom Schrei der Kreatur – Mit-Leidenschaft und Mit-Geschöpflichkeit als Impulse für eine religionspädagogische Nachhaltigkeitsethik“ setzt sich angesichts der ökologischen Krise für eine „erweiterte Verantwortungsethik“ ein, die über den anthropozentrischen Rahmen hinausgeht und das Mitgeschöpf-Sein als ethische Grundlage für die Gestaltung einer nachhaltigen Religionspädagogik einbezieht.“ Domsel vergleicht die Ansätze von Johann Baptist Metz („Compassion“) und Albert Schweitzer („Ehrfurcht vor dem Leben“). Ihr Ziel: „durch die Anwendung dieser Konzepte eine kritische Reflexion über die Verantwortung des Menschen gegenüber der gesamten Schöpfung zu fördern und eine ethische Haltung der Solidarität und Fürsorge zu etablieren.“

HdR-Fachgebietsleiterin Sibylle Fritsch-Oppermann geht in ihrem Beitrag „Die Schönheit der Leere: Paradoxe Sprache in Buddhistischer Lehre, Christlicher Mystik und Poesie als Frage an Sprachphilosophie, Ästhetik und Religionsphilosophie“ der Frage nach der Bedeutung von Kunst (konkrete Poesie) nach und lotet aus, ob sie „ein Verständigungsmedium im interdisziplinären (transdisziplinären) und interkulturellen (interreligiösen) Dialog sein kann und wie ästhetische, religionsvergleichende und sprach/philosophische Überlegungen sich gegenseitig bereichern könnten.“ Beispielhaft behandelt sie das Problem bei buddhistischen Kōans und buddhistischer Lyrik sowie Lyrik, „die ihre Wurzeln in der christlichen Mystik und in mystisch bzw. buddhistisch inspirierter moderner Lyrik“ hat. Dabei präsentiert sie das Konzept einer „Schönheit der Leere”.

Zwei Rezensionen von Domsel und Fritsch-Oppermann beschließen die Ergänzungslieferung.

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