Unternehmen, Ethik und Religion: Warum Glaube auch in der Wirtschaft eine Rolle spielt

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Dieser Beitrag basiert auf dem im Handbuch der Religionen erschienenen Fachartikel „Unternehmensethik, Religion und Glaube“ des renommierten Wirtschaftsethikers Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Ulrich Küpper. Der Beitrag fasst zentrale Gedanken des Autors zusammen und möchte dazu anregen, über die Rolle von Werten, Religion und Verantwortung im Wirtschaftsleben neu nachzudenken.

Wirtschaftsethik und Religion – ein überfälliger Dialog

Lange Zeit galt die Betriebswirtschaftslehre (BWL) als rein nüchterne, „wertfreie“ Wissenschaft. Ethik? Eher ein Thema für die Philosophie oder Theologie. Religion? Noch weniger präsent. Doch spätestens seit Umweltkrisen, Finanzskandalen und der Globalisierung kommt Bewegung in die Disziplin: Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility (CSR) und eben auch Unternehmensethik sind in der Mitte der wirtschaftlichen Diskussion angekommen.

Und mit der zunehmenden Vernetzung der Welt – auch mit religiös geprägten Kulturen – wird deutlich: Wer Unternehmen führen will, muss auch verstehen, wie Glaube und Werte unternehmerisches Handeln beeinflussen können.

Was ist Ethik überhaupt – und was Unternehmensethik?

Ethik ist die Wissenschaft vom moralisch richtigen Handeln. Sie fragt nicht nur: „Was ist erlaubt?“, sondern vor allem: „Was ist gut?“ In der Unternehmensethik wird diese Frage auf wirtschaftliches Handeln bezogen – also auf Entscheidungen, die Unternehmen treffen, vom Umgang mit Mitarbeitenden bis hin zu ökologischen Fragen.

Dabei ist wichtig: Auch wenn Ethik mit Werten arbeitet, gibt es für sie – im Gegensatz zur Mathematik oder Physik – keine „harten Beweise“. Die Geltung ethischer Aussagen hängt davon ab, ob Menschen sie als sinnvoll und überzeugend anerkennen. Wissenschaftlich lässt sich nur prüfen, ob Argumente logisch und nachvollziehbar sind, nicht aber, ob eine bestimmte Norm „wahr“ ist. Darum ist der persönliche Hintergrund – inklusive religiöser Überzeugungen – oft entscheidend dafür, welche Werte jemand als wichtig empfindet.

Drei Wege der Unternehmensethik – und wo Religion ins Spiel kommt

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich verschiedene Modelle der Unternehmensethik herausgebildet. Drei davon beleuchtet Küpper besonders:

  1. Die Entscheidungsethik von Hartmut Kreikebaum 

    Sie ist christlich geprägt. Kreikebaum geht davon aus, dass Forscher*innen ihre persönlichen Werte offenlegen sollen – und für ihn sind das christliche Werte wie Verantwortung, Liebe und Dialog. Seine Ethik gründet auf biblischen Aussagen, betont jedoch auch interreligiösen Austausch.

  2.  Die ökonomische Ethik von Karl Homann 

    Sie bezieht sich nur indirekt auf religiöse Vorstellungen. Homann betrachtet wirtschaftliches Handeln im Rahmen bestehender Systeme und fragt, wie ethisches Verhalten durch Anreize gefördert werden kann. Seine Sichtweise – so Küpper – erinnert stellenweise an katholische Soziallehre, bleibt aber methodisch säkular.

  3.  Die analytische Unternehmensethik von Hans-Ulrich Küpper selbst 

    Küpper bringt seinen protestantischen Hintergrund offen ein. Für ihn ist der Einzelne – nicht eine Institution – letztlich verantwortlich für moralisches Handeln. Unternehmen sieht er als Lebensorte, an denen Menschen nicht nur arbeiten, sondern Sinn finden können. Deshalb müsse auch die Unternehmensführung Freiräume für individuelle Werthaltungen schaffen.

Glauben und Wissenschaft – Gegensätze oder Ergänzung?

Ein zentrales Thema im Artikel ist das Verhältnis zwischen Religion und Wissenschaft. Küpper betont: Wissenschaft will objektiv sein, Religion dagegen ist immer auch subjektiv – sie beruht auf Vertrauen, nicht nur auf Beweisbarkeit. Das bedeutet aber nicht, dass Religion und Wissenschaft sich ausschließen müssen. Im Gegenteil:

  • Religion kann helfen, Basiswerte zu begründen, die für wissenschaftlich nicht überprüfbare normative Aussagen gebraucht werden.
  • Wissenschaft wiederum kann diese Werte konkretisieren – zum Beispiel in Form von Regeln, Zielen oder Strategien für Unternehmen.

In einer Welt, in der nicht alles berechenbar ist, bleibt der Glaube – an Gott, an das Gute oder an Sinn – oft das, was Entscheidungen überhaupt erst möglich macht.

Unternehmen als Lebensorte – nicht nur Produktionsstätten

Besonders eindrücklich ist Küppers Analyse der „Nahhorizonte“ in Unternehmen – also der persönlichen Ebene, auf der Menschen miteinander arbeiten, führen, entscheiden. Hier wird der Einfluss von Werten und Religion ganz konkret:

  • Wie viel Vertrauen herrscht im Team?
  • Wird die Meinung jedes Einzelnen respektiert?
  • Wie werden Entscheidungen getroffen – autoritär oder dialogisch?

Werte wie Ehrlichkeit, Respekt und Mitgefühl machen hier den Unterschied – nicht nur für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern oft auch für den wirtschaftlichen Erfolg.

Religionen als Ressource für werteorientiertes Wirtschaften

Warum lohnt es sich also, religiöse Perspektiven in die Unternehmensethik einzubeziehen?

  1. Weil Religionen – wie etwa Christentum, Judentum oder Islam – über Jahrhunderte ethische Werte entwickelt haben, die heute noch Orientierung geben.
  2. Weil viele Menschen in Religion ihre grundlegenden Wertvorstellungen verankern – sei es bewusst oder unbewusst.
  3. Weil gerade in einer globalisierten Welt das Verständnis religiöser Prägungen essenziell ist – etwa für die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern oder die Gestaltung diverser Teams.

Ethik ohne Religion? Möglich, aber oft unvollständig

Küpper zeigt: Die moderne Betriebswirtschaft kommt bei ethischen Fragen an ihre Grenzen. Werte wie Gerechtigkeit, Solidarität oder Menschenwürde lassen sich nicht rein logisch oder empirisch begründen. Genau hier kann Religion einen Beitrag leisten – als Quelle für Grundüberzeugungen, auf denen sich verantwortliches wirtschaftliches Handeln aufbauen lässt.

Gleichzeitig warnt er davor, Religion als moralischen Zwang zu missbrauchen. Entscheidend bleibt die Freiheit des Einzelnen – auch in Glaubensfragen.

Fazit: Wirtschaft braucht Werte – und manchmal auch den Glauben

Prof. Küppers Beitrag ist ein Plädoyer für einen erweiterten Blick auf Unternehmensethik. Er zeigt, dass Religion und Glaube – richtig verstanden – keine Störfaktoren für die Wirtschaft sind, sondern Ressourcen, die Orientierung geben können. In einer Zeit wachsender Unsicherheit und globaler Krisen wird diese Orientierung mehr denn je gebraucht.

Wirtschaftliches Handeln kann dann gelingen, wenn es sich nicht nur an Zahlen, sondern auch an Werten orientiert – und wenn Unternehmen zu Orten werden, an denen Menschen nicht nur arbeiten, sondern auch Sinn erfahren.

Dieser Blogbeitrag basiert einem Fachartikel, der im Handbuch der Religionen erschienen ist:

Küpper, Hans-Ulrich: Unternehmensethik, Religion und Glaube. 34. Ergänzungslieferung 2010. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka & Martin Rötting (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum [Handbook of Religions. Churches and other Religious Communities in Germany and German-speaking Countries]. Westarp Science Fachverlag, Hohenwarsleben 2025.

Schlagwörter:
Ethik, Unternehmensethik, Wirtschaft, Unternehmen, Ökonomie, Religion, Glaube, Werte

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