Das Euthanasieprogramm

Euthanasieprogramm

Das Euthanasieprogramm: Wenn Menschen nicht mehr leben dürfen

Die Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten unter Hitler Juden und Jüdinnen, Menschen aus fremden Ländern, die als „rassisch minderwertiges Volk“ galten sowie mutmaßliche politische Gegner:innen, Homosexuelle und Menschen, die als „asozial“ klassifiziert wurden. Deutsche mit geistigen und körperlichen Behinderungen galten als „nutzlos“ und „genetisch defekt“ und wurden zudem Opfer von Hitlers rassistischer Ideologie.

So grausam das klingt, so real war das für die über 13 Millionen Menschen, die seit dem Kriegsbeginn 1939 bis 1945 systematisch getötet wurden.[1]

Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen, weshalb sich in diesem Beitrag speziell den Opfern der Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus gewidmet werden soll.

Das Euthanasieprogramm

Etwa 216.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen wurden während des Nationalsozialismus in Deutschland und den besetzten Gebieten ermordet.[2]

Die Nazis entwendeten dafür auf zynische Weise den Begriff „Euthanasie“, was ursprünglich „leichter und schöner“ Tod meint.

Grausames Ziel hinter dieser „Euthanasie“ war die Zucht einer „erbgesunden, begabten, hochwertigen Rasse“, was auf die schon um die Jahrhundertwende entwickelte Ideen der Erbgesundheitslehre zurückgeht. Nach dieser sollte der Anteil positiv bewerteter Erbanlagen in der Gesellschaft vergrößert werden. Zudem erhofften sich Hitler und die Nazis eine Senkung der Kosten für die Anstaltspflege und eine Erhöhung der Bettenkapazitäten für Kriegsverwundete.

Die verheerende Folge: Mehrere Hunderttausend Kranke und Menschen mit Behinderung wurden zwangssterilisiert und gezielt umgebracht.

Die systematische Ermordung

Ob Schizophrenie, Epilepsie, Encephalitis, Schwachsinn, Paralyse, Chorea Huntington, Menschen mit seniler Demenz oder anderen neurologischen Endzuständen – Pflegeheimangestellte waren ab 1939 verpflichtet, Angaben über den gesundheitlichen Zustand, die Arbeitsfähigkeit und Heilungsaussichten ihrer Patienten zu dokumentieren. Dazu wurden Meldebögen an Pflegeheime im gesamten Deutschen Reich versandt, die dann an Gutachter in Berlin gingen. Dort wurde entschieden, ob die Betroffenen in eine Tötungsanstalt gebracht werden sollten.

Entschieden diese sich für den Mord, wurden die Patienten per Bus in Zwischenanstalten gebracht, bevor sie – ohne das Wissen ihrer Angehörigen – in die Tötungsanstalten transportiert wurden. Dort wurden sie entkleidet und in Gruppen von 30 in Kammern eingesperrt und mit Kohlenstoffmonoxid oder Cyanwasserstoff vergast. Die Leichen wurden in den anstaltseigenen Krematorien verbrannt.

3.Dezember alsInternationaler Tag der Menschen mit Behinderungen

So dramatisch und hart das ist, so wichtig ist es, nicht nur einmal im Jahr sich die Probleme bewusst zu machen, die Menschen mit Behinderung durchleben und sich für deren Würde, Rechte und Wohlergehen einzusetzen.

Wenn Sie sich tiefer in die Thematik der Krankenmorde während des Nationalsozialismus einlesen möchten, empfehlen wir Ihnen das Buch „Katharina und die Stimmen“ von Babara Degen. Es ist ein Roman für Leserinnen und Leser von jung bis alt, der einen Teil der dunklen Vergangenheit des NS-Regimes aufarbeitet. Anhand von Briefen werden die Eindrücke einer Ordensfrau geschildert, die von 1933-1945 in einer Caritas-Anstalt für Menschen mit psychischer Störung tätig war.

[1] Hellmuth Auerbach: Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In: Wolfgang Benz (Hg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. Dtv, Neuauflage 1992, ISBN 3-423-04666-X, S. 161 f.

 

[2] NS-„Euthanasie“: Vom Wahn zur Wirklichkeit. In: Ärzteblatt. A-2626 / B-2194 / C-2061, Nr. 41. Deutscher Ärzteverlag GmbH, 10. Oktober 2003, S. 2626–2630 ([1] [abgerufen am 5. November 2020]).

Euthanasie NS
Katharina und die Stimmen
Katharina, 12 Jahre alt, ist neugierig und wissbegierig. Sie interessiert sich für Stimmen und hat dazu viele Fragen: Warum reden die Erwachsenen, zum Beispiel ihre Lehrerinnen und Lehrer und ihre Eltern, so dass es manchmal ihren Widerspruchsgeist weckt? Was sagen die Stimmen in den Märchen über gute und böse Menschen? Warum können Tiere darin sprechen und wann geschehen eigentlich Wunder und Verwandlungen? Und warum klingen viele menschliche Stimmen nicht so schön und harmonisch wie in der Oper?
Barbara Degen
Barbara Degen ist Juristin, Autorin und Frauengeschichtsforscherin und lebt in Bonn. Sie hat zahlreiche Aufsätze und Bücher zu Frauenrechten geschrieben und forscht und schreibt seit langem zur NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation.

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